Wie Familienstellen bei Co-Abhängigkeit hilft
Ich bin gerne für andere Menschen da. Das möchte ich mir gar nicht abgewöhnen. Aber früher habe ich so sehr die Retterin gespielt, dass ich mich selbst aus den Augen verloren habe.
Falls du mit dem Thema Co-Abhängigkeit kämpfst, sollst du wissen: Du bist damit nicht allein! Als es bei mir akut war, konnte ich leider nicht offen darüber sprechen. Und ich weiß, dass es vielen so geht. Heute kann ich von meinen Erlebnissen berichten, ohne mich deswegen zu schämen.
Sechs Jahre lang war ich in einer Beziehung mit einem Heroinabhängigen. Es war eine Achterbahnfahrt aus Höhen und Tiefen, geprägt von Krisen und der Hoffnung auf Veränderung. Aber so sehr ich mich angestrengt habe, ich konnte meinen Freund nicht retten. Er war immer noch nicht clean und ich war ausgelaugt. Ich tat alles, um ihm zu helfen, ihn zu retten – bis ich erkannte, dass das nicht meine Verantwortung ist. Er allein trägt die Verantwortung für sein Leben.
Mein Weg aus der Co-Abhängigkeit
Ich fing an den Blick nicht nur auf ihn zu richten, sondern zu schauen, was bei mir nicht stimmt. Da bin ich auf das Thema Co-Abhängigkeit gestoßen. Es hat mir die Augen geöffnet. Ich habe zwar nicht alle Kriterien erfüllt, aber doch einige.
In dieser Zeit suchte ich nach Wegen, um meine Situation zu verstehen und zu verändern. Ich begann eine Psychotherapie bei einer Psychoanalytikerin. Es war spannend, die Hintergründe meiner Verhaltensmuster zu erkunden, doch ich hatte nicht das Gefühl, dass das allein meine Probleme löste. Für mich reichte es nicht, nur über die Themen zu sprechen. Ich suchte nach einer Methode, die Veränderung erfahrbar macht.
Das Familienstellen nach Bert Hellinger wurde für mich zu einem Wendepunkt. In dieser Methode werden Beziehungen und Muster sichtbar – und das Beste: Sie sind spürbar veränderbar. Es war faszinierend zu erleben, wie verborgene Dynamiken meines Familiensystems ans Licht kamen und sich lösten.
Woran erkennt man Co-Abhängigkeit?
Co-Abhängigkeit zeigt sich oft in folgenden Verhaltensmustern:
- Selbstaufopferung: Die eigenen Bedürfnisse werden komplett zugunsten des Partners vernachlässigt.
- Kontrollzwang: Der Versuch, das Leben oder Verhalten des Partners zu steuern.
- Emotionale Abhängigkeit: Das eigene Wohlbefinden hängt von der Verfassung des Partners ab.
- Angst vor Verlassenwerden: Die Beziehung wird trotz Leidensdruck aufrechterhalten.
- Schuldgefühle: Die Überzeugung, für das Unglück des Partners verantwortlich zu sein.
Was Co-Abhängige lernen müssen, um sich zu lösen
- Verantwortung abgeben: Verstehen, dass der Partner für sein Leben selbst verantwortlich ist.
- Gesunde Grenzen setzen: Lernen, „Nein“ zu sagen und die eigenen Bedürfnisse zu schützen.
- Selbstfürsorge: Eigene Interessen und Hobbys entdecken und pflegen.
- Emotionale Unabhängigkeit entwickeln: Sich selbst unabhängig vom Zustand des Partners glücklich machen.
- Unterstützung suchen: Hilfe von Therapeuten, Selbsthilfegruppen oder Familienaufstellungen in Anspruch nehmen.
Jeder muss seinen eigenen Weg finden und gehen. Mir hat Meditation geholfen, Gespräche mit guten Freunden und mein Glaube zu Gott. Das hawaiianische Vergebungsritual Hoóponopono möchte ich ebenso wenig missen wie den kreativen Ausdruck z. B. über Kunsttherapie). Aber in diesem Blogartikel soll der Schwerpunkt auf Familienstellen und der systemischen Therapie liegen.
Familienstellen als Weg aus der Co-Abhängigkeit
Familienstellen ist eine therapeutische Methode, bei der verborgene Dynamiken in Familien sichtbar gemacht werden. In Familien gibt es oft unbewusste Verstrickungen, die das Verhalten und das emotionale Leben der Mitglieder beeinflussen. In einer Aufstellung stellen Teilnehmer eine „innere Landkarte“ des Familiensystems dar, indem sie Stellvertreter für Familienmitglieder wählen. Diese Methode kann helfen, alte Muster und Blockaden zu erkennen und aufzulösen.
In meinem Fall zeigte eine Aufstellung, dass ich im Mutterleib einen Zwilling verloren hatte. Diese früh verlorene Verbindung hatte unbewusst meine Beziehungen geprägt. Mit dieser Erkenntnis konnte ich die emotionale Abhängigkeit loslassen und Klarheit gewinnen. Bei mir kamen mehrere Themen zusammen, die Co-Abhängigkeit begünstigten.
Als Kind musste ich früh selbstständig werden. Wenn es meinen Eltern nicht gut ging, fühlte ich mich verantwortlich. Dort lagen die Wurzeln, warum ich es gewohnt war für andere zu sorgen. Ich habe mich um andere gekümmert, ohne die Grenze zu kennen, wann es für mich zu viel war, wann es ungesund war.
Oft lernen Co-Abhängige dieses Muster bereits in der Kindheit. Allerdings bleibt es ganz individuell, welche Ursachen es hat. Familienstellen kann dir helfen, deine eigenen Hintergründe zu erkennen.
Übung: Die Verantwortung zurückgeben
Diese Übung hilft dir, bewusst die Last der Verantwortung abzugeben:
- Nimm dir mehrere Bücher. Sie sollten ein Gewicht haben, das du deutlich spürst, aber noch gut tragen kannst.
- Stelle dir die andere Person vor. Du kannst dir diese Person gegenüber vorstellen oder einen Stuhl an ihre Stelle setzen.
- Spüre das Gewicht. Halte die Bücher in deinen Händen und stelle dir vor, dass ihr Gewicht der Verantwortung entspricht, die du für diese Person trägst.
- Lasse die Last los. Lege die Bücher vor die Füße des Stuhls oder der imaginären Person und sage laut: „Ich lasse die Verantwortung jetzt ganz bei dir.“
- Entferne dich. Gehe ein paar Schritte zurück und atme tief ein und aus. Spüre, wie die Last von dir abfällt.
Diese Übung kann dir helfen, dich emotional zu entlasten und den ersten Schritt zu tun, um in die Eigenverantwortung zu kommen.
Familienstellen: Ein Schlüssel zur Heilung
Familienstellen ist ein kraftvolles Werkzeug, um verborgene Dynamiken in Beziehungen zu erkennen und Co-Abhängigkeit zu lösen. Für mich war es ein Schlüssel zur Heilung. Doch Heilung beginnt mit der Bereitschaft, sich selbst ernst zu nehmen und die Verantwortung für das eigene Leben anzunehmen. Übungen wie die Rückgabe der Verantwortung machen diesen Prozess spürbar und unterstützen auf dem Weg zur emotionalen Freiheit.